Naturwissenschaftliche Datierungsmethoden

 
von Andreas Otte

Dieser Beitrag soll die Kritiken von H.-U. Niemitz, Christian Blöss, Heribert Illig und Gunnar Heinsohn an unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden zusammenfassen und einleitend vorstellen. Die Methoden werden vorgestellt und analysiert. Betrachtet werden Dendrochronologie, C14, Warwenchronologie und Eiskernbohrungen.

Einleitung

Datierung mit naturwissenschaftlichen Methoden ist ca. seit 1950 ein beliebtes Mittel der Geschichtswissenschaften, der Archäologie, der Chronologie-Forschung. Teilweise haben diese Datierungen etwas von einem Totschläger-Argument an sich, sie scheinen unantastbar, zumindest bei einigen Wissenschaftlern. Interessanterweise gibt es aber auch das gegenteilige Verhalten, die totale Ablehnung dieser Datierungen durch Wissenschaftler, da sie dem bisherigen Wissen widersprechen, bzw. es findet eine Ablehnung aus methodischen Gründen statt. Und natürlich gibt es Mischformen, d.h. naturwissenschaftliche Datierungen werden benutzt, wenn es gerade in den Kram passt, sonst abgelehnt.

Es sollen daher anhand der vorliegenden Arbeiten die unterschiedlichen Methoden, vor allem aber auch ihre Grundlagen und, ganz wichtig, ihre Annahmen dargestellt werden. Damit kann sich jeder selbst ein Bild vom Zustand und der Anwendbarkeit dieser Methoden machen. Beginnen wir also mit der Vorstellung der Methoden.

Darstellung der Methoden

C14

Die C14-Methode dient der Altersbestimmung organischer Artefakte. Die Methode basiert auf der folgenden Idee: Neben normalem Kohlenstoff (C12) befindet sich auch ein kleiner Anteil an radioaktivem Kohlenstoff (Isotop C14) in der Atmosphäre und damit in jedem lebenden, stoffwechseltreibendem Organismus. Wenn ein Organismus stirbt und damit seinen Stoffwechsel einstellt, wird der Anteil von C14 im Laufe der Zeit durch radioaktiven Zerfall immer geringer. Damit kann aus der Messung der aktuellen C14-Konzentration (d.h. des Verhältnisses von C14 zu C12) in der Probe, des aktuellen C14-Gehaltes der Atmosphäre und der Halbwertszeit von C14 der Zeitpunkt bestimmt werden, zu dem der Organismus seinen Stoffwechsel eingestellt hat.

Folgende Voraussetzungen müssen für eine Messung gegeben sein:

  1. Messbarkeit. Die C14-Konzentration muss mit genügender Genauigkeit messbar sein.
  2. Keine Kontamination. Die Probe muss während der Lagerung vor einer Kontamination durch umgebendes C14 geschützt sein.
  3. Räumliche Invarianz. An allen Orten muss dieselbe C14-Konzentration in der Atmosphäre herrschen.
  4. Organische Invarianz. Der Stoffwechsel aller lebenden Wesen darf nicht unterschiedlich in der Lage sein, C14 zu erkennen und einzulagern.
  5. Zeitliche Invarianz. Der C14-Gehalt der Atmosphäre muss zu allen Zeiten identisch zu dem heute messbaren Wert gewesen sein. Das kann nur gelingen, wenn Produktion von C14 und dessen Zerfall sich exakt die Waage halten.

Nur unter diesen Bedingungen kann man zweifelsfrei das Alter einer Probe bestimmen. Die letzten drei Voraussetzungen wurden dabei zum sogenannten „Fundamentalprinzip“ zusammengefasst.

Das Fundamentalprinzip beschreibt im Prinzip die Geschichte, die Chronologie der C14-Konzentration der Atmosphäre als die einfachste aller Möglichkeiten, nämlich als räumlich, organisch und vor allem zeitlich konstant.

Dendrochronologie

Die Dendrochronologie ist ein Verfahren zur Altersbestimmung von Holzfunden. Dabei wird die individuelle Jahrringstruktur eines interessierenden Holzfundes mit der Ringstruktur einer für eine Region gültigen Mittelkurve verglichen. Diese Mittelkurve wird auch Standard- oder Mastersequenz genannt. Wenn an einer Stelle der Mittelkurve eine deutliche Ähnlichkeit mit dem untersuchten Holzfund besteht, so kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einer korrekten zeitlichen Einordnung gesprochen werden.

Bestimmte Baumarten bilden Jahr für Jahr während der Wachstumsperiode sogenannte Jahrringe aus. Die Jahrringdicke variiert dabei je nach Klima, Baumart, Region und Epoche. Aber auch Bodentyp, Hangneigung, Exposition und Höhenlage wirken sich auf das Wachstum aus. Die wesentliche Aufgabe der Dendrochronologie besteht daher darin, aus den mehr oder weniger ähnlichen Ringbreitenfolgen unbekannter Hölzer die richtige, jahrgenaue Deckungslage mit der Mastersequenz zu bestimmen.

Warwenchronologie

Eine Warwenchronologie ist eine Folge optisch unterscheidbarer Ablagerungsschichten (mineralisch, organisch oder gemischt) in Gewässern oder an Land, die jeweils innerhalb eines Jahres entstanden sind. Solche Schichtfolgen werden auch Bändertone genannt.

Ähnlich wie bei der Dendrochronologie geht es darum, Teilschichtfolgen zu einer großen Schichtfolge per Mustervergleich zusammenzufügen und auf diese Weise eine Masterchronologie zu erstellen, in die dann neue Funde einsortiert werden können.

Eiskernbohrungen

Bei einer Eiskernbohrung wird das Schichtenmuster des Bohrkerns ausgewertet. In Grönland konnte man Bohrkerne für über 3000 m gewinnen. Im oberen Bereich der Bohrkerne sind die Schichtungen, die jahrweise angenommen werden, noch optisch unterscheidbar, tiefer wird nur noch gerechnet (1mm pro Jahr).

Chemische Analysen einer Eisschicht erlauben gewisse Schlüsse auf zeitgleich geschehene Ereignisse, wie z.B. Vulkanausbrüche.

Kritik der Methoden

Eine Kritik dieser Methoden ist besonders mit ihrer Geschichte und ihrer Entwicklung verknüpft. Insbesondere die Entwicklung von C14 und Dendrochronologie ist untrennbar miteinander verwoben. [Blöss, Niemitz 2000]

C14

Die C14-Methode entstand nach 1945, nachdem bereits 1939 das Isotop C14 nachgewiesen wurde. W.F. Libby entwickelte die Methode 1948 und präsentierte sie 1949. Einige wesentliche Experimente wurden zur Prüfung der Methode durchgeführt:

  • Ein weltweit durchgeführtes Experiment zur Analyse der C14-Konzentration in Lebewesen. Das veröffentlichte Ergebnis war eine weltweit homogene Verteilung des radioaktiven Kohlenstoffs „innerhalb des Messfehlers“, im Prinzip eine Bestätigung der räumlichen und organischen Invarianz. Eine spätere Analyse der Grunddaten zeigte jedoch, dass die einfachsten statistischen Grundregeln bei der Bestimmung dieses Ergebnisses nicht berücksichtigt wurden. In Wirklichkeit war aus den Ergebnissen nichts zu ermitteln, dass auf einen einheitlichen Wert hingedeutet hätte (keine Normalverteilung mit entsprechender Standardabweichung).
  • Diese zwischen 1949 und 1952 gewonnenen Daten zeigten zudem, dass z.B. Muscheln eine deutlich höhere C14-Aktivität aufweisen, als z.B. Holz. Diese Hinweise wurden aber zunächst nicht weiter betrachtet.
  • Die C14-Konzentration einiger archäologisch aufgefundener und historisch fest datierter Hölzer wurde ermittelt und mit den zu erwartenden Werten der C14-Konzentration der Atmosphäre bei einer Gütigkeit des Fundamentalprinzips verglichen. Die präsentierten Ergebnisse, die sogenannte „Curve of Knowns“, gewonnen mit aus heutiger Sicht, erbämlich ungenauen Apparaturen, waren so passgenau, dass alle Bedenken gegen die Methode zunächst verschwanden.

Aber betrachten wir die damaligen, bereits oben aufgeführten Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der C14-Methode in ihrer heutigen Bewertung durch die Wissenschaft:

  1. Die Messbarkeit ist heute kein Problem mehr, jedoch sind es die Abweichungen von Labor zu Labor. Es ist kein systematisches Verfahren bekannt, welches für unterschiedliche Labors zu vergleichbaren Ergebnissen führt.
  2. Das Problem der Kontamination ist nachwievor gegeben und auch nicht auszuschließen. Libby tat dieses zu Anfang, bedingt durch die Güte seiner ersten Ergebnisse. In jedem Fall muss man Kontamination als einen entsprechenden Fehlerbeitrag berücksichtigen.
  3. Die räumliche Invarianz wird immer noch als gegeben betrachtet, jedoch werden sogenannte Reservoireffekte zugegeben, d.h. lokale Abweichungen der C14-Konzentration, z.B. durch Vulkanausbrüche oder aufsteigendes Tiefenwasser der Ozeane. Diese Fehler werden dann wieder korrigiert.
  4. Die organische Invarianz ist nicht gegeben. Organismen sind in der Lage, zwischen Kohlenstoffisotopen zu unterscheiden und diese unterschiedlich aufzunehmen. Dieser, Isotopenfraktionierung genannte, Effekt wird anhand der Messung der C13-Konzentration (eines weiteren Isotops) korrigiert.
  5. Die zeitliche Invarianz ist nicht gegeben. Es zeigte sich, dass bedingt durch die industrielle Revolution der letzten Jahrhunderte, das als stabil postulierte Verhältnis von C14-Produktion und C14-Zerfall bereits gewaltig aus dem Gleichgewicht geraten war, wenn es denn jemals existiert hatte. Weitere Untersuchungen zeigten, dass dieses Verhältnis auch weiter in der Vergangenheit nicht stabil gewesen sein konnte. Diese Effekte wurden „Suess-Effekt“ und „de-Vries-Effekt“ genannt. Was hatte W.F. Libby aber dann damals bei seiner berühmten „Curve of Knowns“ gemessen? Man muss annehmen, dass aus der Menge der stark streuenden C14-Werte gezielt die passenden ausgesucht wurden, welche die Theorie unterstützten. Diese Vermutung wird bestärkt durch den bereits beobachteten nachweisbar falschen Umgang mit statistischen Werten und Verteilungen bei der Messung der C14-Konzentration der Atmosphäre.

Eine genaue Analyse der möglichen statistischen Fehler der Methode, Messfehler des radioaktiven Zerfalls, Kontamination, organische, räumliche und zeitliche Unterschiede, usw. führen zu einem Fehler von +/- 300 bis 600 Jahren. Dieser Wert liegt wesentlich höher als die sonst typischerweise angegebenen Fehler der Methode, die aber nicht alle Fehlerquellen berücksichtigt. Insgesamt hat man das Gefühl, dass die Methode gezielt schön gerechnet wurde, bzw. versucht wurde, zu zeigen, dass die Methode immer nur ein bisschen falsch ist, dass man diese Fehler korrigieren könnte.

Die Ungütigkeit des Fundamentalprinzips warf allerdings ein nicht mehr so einfach zu korrigierendes Problem auf. Mit einem unbekannten zeitlichen Verlauf der C14-Konzentration der Atmosphäre ist natürlich nicht mehr die Möglichkeit gegeben, den Schnittpunkt der Zerfallskurve mit dem Konzentrationsverlauf zu ermitteln, eine Jahresbestimmung ist damit unmöglich.

Ab 1960 wurde klar, dass, würde nichts geschehen, die C14-Methode entgültig am Ende war. Wesentliche Bedingungen waren nicht erf¨llt. Als Rettungsanker erfolgte der Rückgriff auf die Dendrochronologie durch eine Kalibrierung von C14 am historischen Verlauf der C14-Konzentration in Baumringen. Dazu musste in jedem Fall die räumliche Invarianz gegeben sein, das sogenannte Simultanitätsprinzip, sonst war eine Kalibrierung über grosse Strecken nicht möglich.

Dendrochronologie

Die Dendrochonologie entstand aus den Untersuchungen des amerikanischen Astronomen A.E. Douglass. Douglass untersuchte Baumscheiben (3000 Jahre!) des Mammutbaumes auf Schwankungen der Jahresringbreite. Er wollte prüfen, ob diese die Schwankungen der Sonnenfleckenhäufigkeit wiederspiegeln. Er entdeckte dabei die geschichtliche Einmaligkeit gewisser Jahrring-Breiten-Schwankungen. Daraus zog Douglass den Schluss, dass sich auf diese Weise Holzproben unbekannten Alters datieren lassen müssten.

1938 erfuhr der Forstbotaniker Bruno Huber von diesem Verfahren. Da in Europa die Bäume maximal 400 Jahre alt wurden, musste das Verfahren auf europäische Verhältnisse angepasst werden. Diese Entwicklung fand während der 40er und 50er Jahre statt. An ihrem Ende standen in Deutschland mehrere lokale Baumringchronologien, die bis ins Mittelalter reichten, dann abbrachen und mit römischen Funden weiterliefen. Der Anschluss der schwimmenden Teilchronologien wollte jedoch nicht gelingen.

In der Praxis werden nicht die Ringbreitenfolgen bzw. deren Muster sondern aus diesen erstellte Kurven verglichen. Aufgabe des Dendrochronologen ist es, aus der Vielzahl möglicher Synchronlagen, die richtige herauszufinden. Erschwert wird dieses z.B. durch den Sonnenzyklus von 22 Jahren, der entsprechend oft ähnliche Baumringfolgen erbringt, die eine Fehlsynchronisierung bewirken können. Unter diesen Bedingungen erscheint eine Synchronisation mit einer geeignet hohen Wahrscheinlichkeit eher ein Zufall zu sein. Einzige Hilfe bietet hier eine Vordatierung, d.h. ein Vorwissen, aus welcher Zeit das begutachtete Stück Holz ungefähr stammt. Damit kann die Anzahl der möglichen Synchronlagen soweit eingegrenzt werden, dass eine Datierung einigermaßen zuverlässig erscheint.

Vordatierungen sind z.B. aus historischen Quellen möglich. Wo dass nicht gelingt, muss man zu anderen Mitteln der Vordatierung greifen. Als Rettungsanker kam die C14-Methode gerade recht. Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre wurden daher Holzstücke mit C14 vordatiert und dann entsprechend in der Chronologie einsortiert. Dieses geschah zunächst in den USA, vor allem bei der Erstellung der sogenannten Bristlecone-Pine-Chronologie. Damit einher ging eine Umstellung der Methodik in der Dendrochronologie. Basis der Kurven der Dendrochronologie waren nicht mehr die Baumringfolgen, sondern deren Muster der C14-Konzentration. Dieses Muster war direktes Ergebnis der Aufgabe des Fundamentalprinzips der C14-Methode.

1980 konnte dann auch in Deutschland ein Erfolg vermeldet werden. Es war Ernst Hollstein gelungen, das frühe Mittelalter zu überbrücken. Ein Jahr später gelang dieses auch Bernd Becker. Dabei kann allerdings zum einen ein Buchenholz zum Einsatz (in einer Echenchronologie!), zum anderen wurden aber auch die C14-Konzentrationsschwankungen der Bristlecone-Pine-Chronologie verwendet. Diese Synchronisation über den Ozean war nur möglich, weil das Simultanitätsprinzip (räumliche Invarianz der C14-Konzentration) als gütig betrachtet wurde und wird.

Das bedeutet aber nun nichts anderes, als dass die Dendrochronologie an entscheidenden Stellen auf direkt und über weite Strecken übernommenen C14-Datierungen basiert, die unter der Annahme der Gültigkeit des Fundamentalprinzips erstellt wurden. Diese Tatsache wird gerne verdrängt, vor allen da die Bristlecone-Pine-Chronologie inzwischen stillschweigend ausgemustert wurde.

Die Dendrochronologie darf also weder zur Stützung der historischen Chronologie noch zur Stützung der C14-Chronologie eingesetzt werden, denn von beiden hat sie Daten zu ihrer Erstellung bezogen.

Details zum Thema in [Blöss, Niemitz 1996] und [Niemitz 1995].

Nochmal C14

Nun sind wir zeitlich dort angekommen, wo die C14-Methode eigentlich ein zweites mal (nach Libbys erstem statistischen Pfusch) ihr Ende hätte finden müssen. Das Fundamentalitätsprinzip war gefallen. Auch die C14-Methode sah sich gezwungen, vorzudatieren. Irgendwie musste es gelingen, den Verlauf der C14-Konzentration in der Vergangenheit zu bestimmen. Dieses wurde durch die C14-Konzentrationsmuster der Baumringchronologie ermöglicht. Anhand dieser Daten wurden Kalibrierkurven erstellt, welche die zunächst ermittelten C14-Jahre in Absolut-Jahre umwandelten.

Damit war C14 anscheinend wieder gerettet, aber um welchen Preis? Die Methode war nur noch indirekt eine Methode zur Absolutdatierung. Sie hatte sich in die Abhängigkeit von der Dendrochronologie begeben. Dabei vollständig verdrängt wird allerdings die Tatsache, dass die Dendrochronologie ohne (unkalibrierte!) C14-Vordatierung nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Chronologie aufzustellen. Zudem basiert die Erstellung der Baumring-Chronologien auf der Gültigkeit des C14-Simultanitätsprinzips. Damit ist der Zirkelschluss perfekt. C14 und Dendrochronologie sind als Methoden nicht unabhängig voneinander, also auch nicht geeignet gegenseitig die Gültigkeit und Funktionsfähigkeit der jeweils anderen Methode zu gewährleisten. Die prinzipielle Übereinstimmung der Daten von C14 und Dendrochronologie ist nicht verwunderlich, aber auch, durch die zirkuläre Abhängigkeit, nicht we
iter aussagekräftig. So kann man nicht sicher absolut datieren.

Und was ist mit der Kalibrierung? Kann das so überhaupt funktionieren? Schauen wir dazu nochmal auf das Simultanitätsprinzip. Es fordert als Abschwächung des Fundamentalprinzips lediglich die räumliche Invarianz der C14-Konzentration auf der Erde. Welche Effekte haben Einfluß auf die C14-Konzentration der Atmosphäre? Zwei Effekte wurden auch von Libby gesehen, nämlich Produktion (Entstehung aus N14) in der Atmosphäre und Vernichtung (=radioaktiver Zerfall). Hinzu kommen aber noch „Zuwanderung über die Systemgrenze“ und „Abwanderung über die Systemgrenze“. Was ist damit gemeint? Es geht um eine wechselseitige Diffusion in angrenzende Kohlenstoffreservoire. Da unseres Wissens nach nur in der Atmosphäre C14 produziert wird, kommt eine Zuwanderung aus angrenzenden Reservoiren erstmal nicht in Frage (evtl. extraterristrisch), lediglich Abwanderung macht Sinn, z.B. durch an C14 verarmtes Tiefenwasser der Ozeane, welches im Rahmen der ozeanischen Transportbänder stellenweise an die Oberfläche drängt. Es gibt also zwei Szenarien, die betrachtet werden müssen:

  • C14-Verarmung: Die C14-Konzentration der Atmosphäre sinkt, wenn die Abnahme durch Zerfall und Abwanderung dauerhaft grösser als die Zunahme durch Produktion ist.
  • C14-Anreicherung: Die C14-Konzentration der Atmosphäre steigt, wenn die Zunahme durch C14-Produktion dauerhaft grösser ist als die Abnahme durch Zerfall und Abwanderung.

Diese Diffusions-Effekte sind hochgradig lokal und können um eine Grössenordnung stärker sein als z.B. der Zerfall. Das Simultanitätsprinzip ist nicht gütig. Auch zeitlich gesehen haben diese Effekte eine wesentlich stärkere Auswirkung als allgemein angenommen wird. Eine mit der Zeit erfolgte C14-Anreicherung bewirkt z.B. eine Veralterung von Proben, wie das folgende Diagramm zeigt:

Die klassische Kalibrierkurve orientiert sich mehr oder weniger an der Winkelhalbierenden, geht also mehr oder weniger davon aus, dass ein C14-Jahr einem Kalenderjahr entspricht. Das liegt natürlich an der Übernahme unkalibrierter C14-Jahre als Kalenderjahre bei der Erstellung der Baumreihen und entspricht im groben Trend weiterhin der Annahme der Gültigkeit des Fundamentalprinzips. Faktisch kennen wir weder den Umfang der C14-Produktion noch kennen wir die jeweiligen Diffusionseffekte. Die Geschichte der C14-Konzentration ist weitgehend unbekannt. Man kann lediglich nachrechnen, dass eine 12%ige Änderung der C14-Konzentration innerhalb von 1000 Jahren einer Verarmung der Ozeane um 2 Promille(!) entspricht. Eine 12%ige Anreicherung läßt die C14 Uhr übrigens doppelt so schnell laufen wie die Kalenderuhr.

Die C14-Methode darf also nicht zur Stützung der Dendrochronologie verwendet werden. Eigentlich darf sie überhaupt nicht mehr verwendet werden. Sie basiert auf ungültigen Annahmen. Weitere Details in [Blöss, Niemitz 2003].

Warwenchronologie

In dieser Situation könnte vielleicht eine andere Datierungsmethode helfen, z.B. die Warwenchronologie. Aber auch hier sieht es nicht viel besser aus. Die Warwenchronologien sind eigentlich immer schwimmend, d.h. nicht absolut datierbar. Um trotzdem zu einer Chronologie kommen zu können, wurde intensiv mit C14 vordatiert. Damit verbietet sich jede Nutzung der Warwenchronologie zur Absicherung der Datierungen durch C14 oder Dendrochronologie. Und niemand hat bisher beweisen können, dass die Schichten wirklich jahrweise entstehen. Details in [Blöss, Niemitz 1998a/b].

Eiskernborungen

Auch die Eiskernbohrungen kämpfen mit ähnlichen Problemen. Immerhin war es möglich, einen Teil der Annahmen (Eisdicke, Eiswanderung, Eisdruck) zur Bildung des Grönlandeises einem Test zu unterziehen. Im Juli 1942 mussten 2 Staffeln an der ostgrönländischen Küste notlanden. Die Piloten kamen mit dem Leben davon, die Maschinen wurden jedoch aufgegeben. Im September 1989, also 47 Jahre später wurde ein Teil dieser Maschinen aus dem Eis geschmolzen. Wesentliche Voraussagen wurden dabei widerlegt:

  • Es hatte keine Eiswanderung stattgefungen.
  • Der Eisdruck hatte die Maschinen nicht zerdrückt.
  • Nicht wie erwartet 12m Eis lag auf den Maschinen, sondern 54m Eis + 24m sehr harter Firn = 78m, d.h. 6,5 mal soviel wie erwartet.

Diese Erkenntnisse haben alle bisherigen Vorstellungen über die Bildung des Grönlandeises und damit auch der Schichtzählung in Eiskernbohrungen wieder in Frage gestellt: Ca. 1,6 m pro Jahr Schnee/Eis, nahezu fließfreie nicht-Komprimierung, kaum Eisdruck. Man muss sich die Frage stellen, ob Schnee 1600 fach komprimiert werden kann (für 1mm Schichtdicke in der Tiefe), ob in grösserer Tiefe jener Druck auftritt, der in 80m Tiefe offensichtlich abwesend ist, ob wirklich eine Schicht für ein Jahr steht, denn es scheint jeder Schneefall (z.B. ca. 6m liegengebliebener Firn in 3 Jahren) durch anschließende Verfrierung für ein Schicht gutsein zu können.

Ohne eine Klärung dieser Fragen ist eine Datierung über Eiskernbohrungen extrem fragwürdig. Details in [Heinsohn 1994].

Zusammenfassung

Das naturwissenschaftliche Datieren von Ereignissen in der Vergangenheit ist mit den bisher bekannten Methoden nicht möglich. Warum? Wir können immer nur jetzt messen. Nur aktualistische Annahmen können einen glauben machen, die heute vorliegenden Bedingungen wären in der Vergangenheit identisch gewesen, was die Errechnung der Ergebnisse oder die notwendige Erstellung einer unabhängigen Chronologie erst ermöglicht. Diese Annahmen sind aber weitgehend widerlegt, die verschiedenen chronologischen Methoden bauen zirkulär aufeinander auf und stützen sich nur gegenseitig aber nicht insgesamt. Aus methodischen und aus messtechnischen Gründen muss man daher diese Datierungsmethoden ablehnen. Man kann nur Fehler machen, wenn man sie nutzt.

Literatur

Blöss, Christian und Niemitz, H.-U. (1996) : „Der Selbstbetrug von C14-Methode und Dendrochronologie“, in Zeitensprünge (vormals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) JG 08 / Heft 3 Seite 361-389
Blöss, Christian und Niemitz, H.-U. (1998a) : „Die schwedische Warwenchronologie. Kritik der Alterbestimmungsmethoden für das Quartär (I)“, in Zeitensprünge (vormals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) JG 10 / Heft 2 Seite 320-344
Blöss, Christian und Niemitz, H.-U. (1998b) : „‚Postglaziale‘ Warwenchronologien. Kritik der Altersbestimmungsmethoden für das Quartär (II)“, in Zeitensprünge (vormals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) JG 10 / Heft 3 Seite 388-409
Blöss, Christian und Niemitz, H.-U. (2000) : „C14-Crash. Das Ende der Illusion, mit Radiokarbonmethode und Dendrochronologie datieren zu können“, 2. Auflage, Verlag IT&W, Berlin
Blöss, Christian und Niemitz, Hans-Ulrich (2003) : „C14-Crashkurs. Warum wir mit C14-Methode und Dendrochronologie nicht absolut datieren können“, in Zeitensprünge (vormals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) JG 15 / Heft 2 Seite 430-458
Heinsohn, Gunnar (1994) : „Für wieviele Jahre reicht das Grönlandeis?“, in Zeitensprünge (vormals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) JG 06 / Heft 4 Seite 076-081
Niemitz, Hans-Ulrich (1995) : „Die ‚magic dates‘ und ’secret procedures‘ der Dendrochronologie“, in Zeitensprünge (vormals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) JG 07 / Heft 3 Seite 291-314

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